Philipp Rasbach (37), Erster Kreisbeigeordneter, und Marie-Christin Ockenfels (27), bisherige SPD-Kreisgeschäftsführerin, bilden seit Kurzem die Doppelspitze des SPD-Kreisverbands Neuwied. Sie haben die Nachfolge von Martin Diedenhofen (30) angetreten, der sich aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurückgezogen hat. Im Interview mit unserer Zeitung verraten Rasbach und Ockenfels, was sie antreibt, den Negativlauf der SPD zu beenden.
Ockenfels: Wir wollen die Arbeit des letzten Kreisvorstandes um Martin Diedenhofen herum weiterführen. Da es eine große Aufgabe ist, wollen wir es auf mehreren Schultern verteilen. Die gleichberechtigte Doppelspitze hat auch eine andere Wirkung nach außen.
Rasbach: Die Partei ist uns beiden wichtig. Wir beiden trauen uns zu, Verantwortung zu übernehmen. Wir ergänzen uns gut. Wir bilden Männer und Frauen ab und haben daher zwei unterschiedliche Sichtweisen. Wir können uns gegenseitig aufeinander verlassen.
Rasbach: Es ist ein gesellschaftliches Problem, das alle demokratischen Parteien betrifft. Wir sind darauf angewiesen, dass sich der Bürger mit Politik auseinandersetzen möchte. Das politische Denken ist in den vergangenen Jahren etwas verloren gegangen, was auch in die Parteien hineinwirkt. Vor 20 oder 30 Jahren hat man in der Kneipe noch politisch kontrovers miteinander gestritten. Das fehlt mir. Das müssen wir in die Köpfe unserer Mitglieder, Wähler und Bürger bekommen. Wir müssen den Markenkern unserer Partei wieder stärker nach außen vertreten, um neue Mitglieder zu gewinnen.
Ockenfels: Wir wollen dafür sorgen, dass man hier im Kreis gut und gerne leben kann. Es muss genügend Arbeitsplätze, eine gute Verkehrsinfrastruktur und eine gute Gesundheitsversorgung geben. Familien sollen sich bei uns im Kreis wohlfühlen. Nicht zuletzt aufgrund des Zuzugs aus Nordrhein-Westfalen ist beispielsweise das Thema Kitaplätze sehr wichtig.
Rasbach: Wir als SPD wollen insbesondere für die da sein, die nicht auf der Sonnenseite stehen und deshalb eine starke Stimme brauchen.
Rasbach: Wir wollen mehr Diskussionen unter den Mitgliedern der Ortsvereine zu bundes-, landes- und kommunalpolitischen Themen. Wir wollen auch wieder eine breite Antragskultur. Unsere Jusos sind da sehr engagiert. Außerdem soll das Wir-Gefühl gestärkt werden. Auf Veranstaltungen sollen Genossinnen und Genossen sich gegenseitig kennenlernen. Natürlich können wir als Vorstand oben strampeln, aber es kommt auf jedes Mitglied an. Wenn alle ihren Beitrag leisten, wird unsere Partei noch lebendiger.
Ockenfels: Es geht auch um Wahrnehmung, deshalb wollen wir unsere Social-Media-Präsenz ausbauen. Wir wollen mehr über Inhalte diskutieren und den entsprechenden Raum dafür bieten. Kreisverband und Ortsvereine müssen in einen engeren Austausch treten.
Rasbach: Wir müssen Strategien entwickeln, wie wir Menschen finden, die Lust auf ein Hauptamt haben. Das wird ein langwieriger Prozess. Wir als Volkspartei haben aber Mittel und Wege, entsprechende Fortbildungsmöglichkeiten anzubieten, um die Menschen aufzubauen. Ich selbst habe als junger Mensch die Kommunalakademie durchlaufen. Das hat mir viel gebracht. Insgesamt ist es eine schwierige Aufgabe. Wir sehen es bei den Wahlergebnissen in den Verbandsgemeinden im Kreis Neuwied, bei denen freie Bewerber ohne Parteibuch Erfolge erzielen. Es ist ein Sinnbild für die Parteienverdrossenheit. Doch wir müssen den Spieß umdrehen: Bei einem SPD-Kandidaten müssen die Wähler wissen, für was er steht.
Rasbach: Wir werden uns sicherlich Gedanken dazu machen. Die Nachricht ist relativ frisch. Wir werden als erste Maßnahme mal mit den Genossen in Bad Hönningen sprechen, wer dort Lust hat und in der Lage ist, für das Amt zu kandidieren. Die Genossen dort dürften genauso überrascht gewesen sein von der Rücktrittsankündigung wie wir.
Rasbach: Das war nicht mein erster Gedanke. Mir ging es um die Verantwortung: Wir hatten nicht 20 Leute, die sich für den SPD-Kreisvorsitz beworben haben. Die Erkrankung von Martin Diedenhofen hat viele Pläne über den Haufen geworfen. Aus diesem Grund mussten wir uns neu aufstellen. Ich bin Erster Kreisbeigeordneter im Mai 2024 geworden, weil meine Partei an mich gedacht hat. Deshalb bin ich der Meinung, meiner Partei auch etwas zurückgeben zu müssen. Das war die Hauptmotivation, den SPD-Kreisvorsitz zu übernehmen. Natürlich hat es den Nebeneffekt, dass man noch sichtbarer wird.
Rasbach: Wir müssen intern überlegen, wie wir unsere Botschaften in die Köpfe der Menschen bekommen und sie dafür begeistern können. Das ist die Selbstbeschäftigung, die wir im Vorfeld brauchen. Wir wollen schließlich den Menschen etwas bieten. Nichtsdestotrotz können wir uns nicht beschweren, dass die Menschen nicht mehr zu uns kommen, wenn wir nicht auch raus zu den Menschen gehen und vor Ort stattfinden.
Ockenfels: Die Menschen stehen bei keiner Partei Schlange, um Mitglied zu werden. Es funktioniert nur im direkten Gespräch – beispielsweise auf der Kirmes, dem Dorffest oder im Karneval. Dort müssen wir zeigen, dass wir präsent sind. Wir wollen mit unseren Inhalten und sympathischen Personen überzeugen und neue Kontakte knüpfen.
Rasbach: Wir haben zwei Kandidatinnen für den Wahlkreis Linz am Rhein/Rengsdorf: Neben Marie-Christin (Ockenfels, Anm. d. Red.) kandidiert auch Nicole Hahn aus Unkel. Jetzt kann man wieder sagen: „Die in der SPD sind sich nicht einig.“ Ich hingegen sehe das als Mehrwert. Ich freue mich über zwei Kandidatinnen in einem Wahlkreis, der durchaus schwierig für uns ist, da hier die CDU dominiert. Es ist für mich auch ein Zeichen, dass eine Partei lebendig ist. Am 5. Juli werden sich beide der Wahlkreiskonferenz präsentieren, die dann eine Entscheidung treffen wird.
Ockenfels: Wir wollen eine SPD-Vertretung im nördlichen Kreis haben, mit dem Ziel, zwei Landtagsabgeordnete aus dem Kreis Neuwied in Mainz zu stellen. Das wäre von Vorteil für die Region, da ich davon ausgehe, dass der Ministerpräsident auch nach der Wahl der SPD angehört.
Das Gespräch führte Daniel Dresen (Rhein-Zeitung)